Pressemitteilung 23/21: Eine Nacht verändert eine Region und die dort lebenden Menschen - DRK-Pflegeprofis berichten ihre Erlebnisse der Flutkatastrophe
Kreis Ahrweiler. Die Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 ging auch an den Pflegeexperten vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Kreisverband Ahrweiler nicht spurlos vorbei. Insbesondere das DRK-Soziale Servicezentrum Remagen-Sinzig in der Sinziger Barbarossastraße ist nur knapp der Katastrophe entgangen. Dennoch verändert die Katastrophe den Dienstbetrieb schlagartig.
Es war kein Morgen, wie jeder andere. Als gegen sechs Uhr morgens die ersten Rotkreuz-Pflegekräfte in Sinzig ihren Dienst beginnen, tobt die Ahr noch in vielen Teilen außerhalb ihres Flussbettes. Strom und Telefon gibt es nicht. Die Mitarbeiter, die außerhalb von Sinzig in den Stadtteilen oder Nachbarorten wohnen, haben teilweise noch gar nicht mitbekommen, was in der Nacht passiert ist. Völlig arglos beginnen sie ihren Dienst. Pflegedienstleiterin Elke Pitzner und Marianne Flohr, Ansprechpartnerin für den Betreuungs- und GesellschaftsService im DRK-Sozialen Servicezentrum Remagen-Sinzig, hatten zu ihrem Dienstbeginn um halb acht Uhr morgens schon einen kleinen Eindruck erhalten, was in der Nacht passiert ist. „Die vollständigen Dimensionen konnten wir zu der Zeit nicht erahnen“, sagt Elke Pitzner. Betroffene unterschiedlichster Weise gibt es auch in den Reihen der DRK-Pflegeprofis.
Die Warnung der bereits im Dienst befindlichen Mitarbeiter war ein großes Problem. „Wir haben winkend an der Straße gestanden und unsere Kolleginnen herangewunken, wenn sie auf dem Weg zu Patienten an unserer Station vorbeifuhren“, erzählt Marianne Flohr. Während dieser Gespräche erhielten die Leitungskräfte weitere wichtige Informationen, wie es im Schadensgebiet aussieht. „Die digitalisierte Arbeits- und Tourenplanung funktionierte an dem Morgen wegen fehlendem Strom nicht. Gut, dass wir genügend langjährige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, die die Arbeitsplanung quasi aus dem Kopf heraus zu Papier bringen konnten. Dadurch waren die ersten Tage ohne Computer und mobilem Datengerät erst einmal gesichert“, ist Elke Pitzner stolz auf ihr Team. Welche Patienten erreichbar waren und wie sie die Nacht überstanden haben, wussten die Pflegekräfte zu der Zeit nicht. Erst im Laufe des Vormittags verdichtete sich das Lagebild. Als am Nachmittag der Strom wieder da war und die ersten Mobiltelefonnetze wieder funktionierten, prasselten von vielen Seiten weitere Informationen auf die Rotkreuzlerinnen ein. Schnell war klar, dass Patienten aus ihrem bisherigen häuslichen Lebensumfeld evakuiert werden müssen. Die ersten betroffenen Mitarbeiter meldeten sich, um ihren Dienst abzusagen. Als die Evakuierung abgeschlossen und die Personalsituation durch betroffene und deswegen ausgefallene Teammitglieder kompensiert war, mussten die Arbeits- und Tourenpläne neu ausgearbeitet und geschrieben werden. Bereits nach wenigen Tagen kehrte eine neue und völlig veränderte Normalität in den Dienstbetrieb ein.
Die Kolleginnen des DRK-Sozialen Servicezentrums Bad Breisig-Brohltal in Niederzissen waren von diesen Problemen glücklicherweise nicht betroffen. Hier nahm der Dienstbetrieb zunächst seinen üblichen Gang. Dieser änderte sich allerdings am nächsten Tag, als das Ausmaß weitestgehend überschaubar war. Sechs Kolleginnen aus der Verwaltung des Sozialen Servicezentrums, dem Pflegeteam und die Gemeindeschwester plus engagierten sich sofort in der Akuthilfe. Sie leisteten Dienst in der DRK-Hilfsmittelausgabestelle in der zentralen DRK-Kreisgeschäftsstelle in Bad Neuenahr-Ahrweiler oder direkt im Schadensgebiet der Mittelahr.
Als sich im DRK-Sozialen Servicezentrum Remagen-Sinzig die Situation eingespielt hatte, halfen auch von dort vier Mitarbeiterinnen in der DRK-Hilfmittelausgabestelle in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit. „Wir sind Rotkreuzlerinnen, unsere Mitbürger vertrauen auf unsere Hilfe. Wenn nicht nach einem solchen Ereignis, wann dann? Hunderte ehrenamtliche Fachkräfte des Bevölkerungsschutzes leben ein selbstloses Engagement vor. Da stehen wir keinesfalls hinten an und sind stolz, Teil einer solch humanitären Hilfseinrichtung zu sein“, sind sich die Rotkreuzkräfte aus dem PflegeService einig. Sie leisteten freiwillige Zusatzdienste am Wochenende und nach Feierabend.
Normalität ist bis heute noch nicht wieder in den Dienstablauf eingekehrt. Evakuierte Patienten kommen zurück in neue Wohnmöglichkeiten. Die Bindung an die Heimat und die gewohnten Menschen ist groß. Natürlich soll auch die Betreuung zu Hause oder die häusliche Krankenpflege wieder von den gewohnten Kräften vom DRK übernommen werden. „Immer noch schreiben wir mehrfach in der Woche neue Arbeits- und Tourenplanungen. Dieses Mal aber aus wesentlich erfreulicheren Gründen“, freut sich Sinzigs DRK-Pflegedienstleiterin Elke Pitzner über diese Mehrarbeit.
Wohl wissend, dass der Weg zur neuen Normalität sehr lang ist, freuen sich die DRK-Pflegekräfte über jeden heimkehrenden Patienten. Eines wissen aber auch alle: Einen Alltag wie vor der Flutnacht, wird es entlang der Ahr in der vorherigen Weise nicht mehr geben. Diese Nacht im Juli hat eine ganze Region und die dort lebenden Menschen verändert. Wichtig sei laut Pitzner nun die psychosoziale Betreuung der Teammitglieder: „Diese Nacht ist auch an unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit deren Erlebnissen oder der persönlichen Betroffenheit nicht spurlos vorbei gegangen.“
Obwohl wir selbst mit drei Dienststellen von der Flutkatastrophe betroffen sind, setzen wir alles daran, die Basisversorgung unserer Mitbürger aufrecht zu erhalten bzw. wo erforderlich zu erweitern.
Die Flut geht - wir bleiben! Als regionale DRK-Gliederung sind wir noch vor Ort, wenn alle anderen längst abgereist sind: Wir sind das Deutsche Rote Kreuz im Kreis Ahrweiler!
Hochwasserhilfe Spendenkonto DRK-Kreisverband Ahrweiler e.V.
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